Zwischen Ballermann und Brauchtumspflege: Der Kampf gegen Verblödung und Stumpfsinn

Kölsche Lieder erfreuen sich in Köln und Umgebung größter Beliebtheit in allen Generationen und Milieus. Und dabei werden sie beiweiten nicht nur zu Karneval gesungen, wie man außerhalb des Rheinlandes annehmen könnte. Sie sind fester gesellschaftskultureller Bestandteil, z.B. in Familie und  Schule, zu verschiedensten Anlässen und natürlich auch der Feier- und Party – Kultur das Jahr hindurch. Sie behandeln alle Facetten  des Lebens, beschreiben Lebensgewohnheiten und – weisheiten, schreiben Alltagsgeschichten und lassen mit viel Humor, häufig jedoch auch mit einer Prise Melancholie ein positives, gemeinschaftsförderndes Lebensgefühl entstehen, das immer wieder auf die Domstadt (als Synonym für Heimat) selbst bezogen wird. Dabei bildet das Rheinland im großen Zirkel um Köln seit Generationen eine emotionale Sprachgemeinschaft mit Köln und seinen Liedern. Ein in deutschen Sprachraum sicher einzigartiges Phänomen lebendigen Brauchtums, in seinem Kern fernab der „Volkstümelei“.

Eine grundsätzlich positive Bestandsaufnahme dieser Liederkultur darf jedoch einen Trend der letzten Jahre nicht übersehen, der den substantiellen Fortbestand und die fortlaufende Entwicklung des kölschen Liedguts zumindest gefährdet.

Im Radio haben kölsche Lieder kaum eine Chance, im Fernsehen sieht man lediglich während der Karnevalszeit kölsche Interpreten, allerdings nur die wenigen großen Bands, die in allen Programmen zu sehen sind. Immer weniger Menschen kaufen CDs, geschweige denn CDs mit kölschen Interpreten. Transportmittel für kölsche Lieder sind lediglich die Karnevalssitzun¬gen, Konzerte der „Großen“ und Sommerfeste, bei denen die Rahmenbedingungen immer schlechter werden für das Etablieren neuer Lieder. Die Party-Kultur an Karneval in Köln wird immer mehr durch hochdeutsche Lieder geprägt, die durch Ballermann und Apres Ski (und den dazu gehörigen Party-Samplern) bekannt werden. Der große, auch überregionale und bundesweite Erfolg der Höhner und die nach wie vor überaus große Beliebtheit der Bläck Fööss, täuscht ein wenig darüber hinweg, dass neue kölsche Lieder es überaus schwer haben beim „Endverbraucher“ anzukommen.

Den Interpreten fehlen mit Ausnahme der Karnevalssitzungen (die durch junge Leute im Übrigen immer weniger frequentiert werden) weitgehend die Foren neue Lieder auch als mögliche „Volkslieder“ zu etablieren. Aber auch dort zeigt sich der Trend, dass fast ausschließlich sehr niederschwellig angelegte Lieder mit möglichst wenig Text bei Sitzungen Gehör finden und Erfolg haben. Mit Ausnahme der großen vier Bands (rechnet man Brings dazu: fünf) hat kaum ein Interpret noch die Chance einen Hit zu landen, der dann auch in den Kneipen (von Hundertausenden zu Karneval) angenommen und gesungen wird. Die Karnevals-DJs setzen natürlich auf Bekanntheitsgrad und spielen neben den obligatorischen, kölschen Evergreens lieber einen bekannten, hochdeutschen Titel als mit neuen und unbekannten Titeln die Stimmung zu mindern.

Ein Lied wie z.B. „En uns’rem Veedel“, was wie nur wenige andere das Lebensgefühl der in Köln lebenden Menschen nicht nur zu Karneval ausdrückt, hätte heute kaum noch eine Chance zu einem alle Generationen und Milieu übergreifenden „Volkslied“ zu werden. Der Refrain ist sehr lang, die langsame, melodiöse Musik entspricht nicht mehr den Hörgewohnheiten. Von einem Partylied erwartet man was anders. Sollte man meinen!?…

Doch die Erfahrungen von Loss mer singe zeigen etwas anderes. Gerade junge Leute in Köln (die gerne Karneval feiern, aber weniger in Sitzungen zu finden sind) wissen die Qualität eines Songs und den Einfallsreichtum von kölschen Liedern zu schätzen und sind bereit sich auf neue Songs einzulassen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Loss mer singe geht vor Ort in die Kneipen und versucht den Liedern in kölscher Sprache ein neues „Transportmittel“ zu bieten, um das besondere und identitätsstiftende der kölschen (Feier-) Kultur zu bewahren und auch junge Leute in Sachen kölschem Liedgut anzusprechen.